Weihnachten 1961 aber gab es eine große Überraschung. Ohne Weihnachtsmann durften wir zwei große Pakete auspacken. Als wir endlich Papier und Karton aufgerissen hatten, wühlten wir aufgeregt im Füllmaterial. Meine Finger ertasteten ein Auge, legten ein Gesicht mit braunen Zöpfen frei, und endlich hob ich eine kleinkindgroße Puppe aus der Verpackung, die ihre Schlafaugen mit den langen Wimpern aufschlug, mich ansah und sofort mein Herz eroberte. Ich stellte sie auf die Füße und strich ihr Kleid glatt. Rixa nahm ihr Puppenkind an die Hand und wir waren die glücklichsten Puppenmütter, bis uns unsere ältere Kusine mal wieder erzählte, dass sie eine noch größere und vor allem teurere Puppe besaß. An einem anderen Heiligabend waren wir stolz auf unsere neuen Latexhosen, elastisch und mit Steg unter dem Fuß - ihre war besser und hatte mehr Geld gekostet; freuten wir uns über unsere dicken weißen Skipullover – ihrer war weißer und dicker. Aber diesmal beeindruckte sie uns nicht. Unsere Puppen blieben die schönsten und liebsten Puppen für uns. Zu Weihnachten und auch zum Geburtstag meines Großvaters schrieb ich kleine Zeitungen, die ich Familienzeitung nannte. Sie bestanden aus sechs kleinen Seiten und enthielten eine Geschichte, ein paar Witze, Gedichte, Sprüche und Zeichnungen. So hatte ich für Opa immer ein schönes Geschenk. Dieses Jahr hatte ich gedichtet:
Weihnachten bei Oma und Opa
Wenn die Uhre viere schlägt,
Opi an dem Tannbaum sägt.
Um fünfe ist er schon geschmückt,
weil das Fest ja näher rückt.
Wenn wir alle dann versammelt,
das Gedicht hinunter gestammelt,
der Weihnachtsmann klopft an
und bringt uns die Geschenke dann.
Weihnachten mein liebstes Fest
Feiern wir in Opas Nest.
Ein anderes Mal schrieb ich:
Der Mäuseschreck
Jan möchte so gerne Schlittschuh laufen
Doch muß er sitzen vor seinem Bücherhaufen
Seine Mutter, die kann prima wachen
Da hat der Jan nun nichts zu lachen
Er sitzt im Stuhl und ist sehr trübe
Zum Fenster herein fliegt eine Rübe
Das waren der Hein und der Fritz
Die machten sich n’tollen Witz
Sie sind jedoch auch treue Kameraden
Und holen fix n’langen Faden
Auch holen sie noch von zu Haus
Eine längst schon tote Maus
Die legten sie leise in die Küchentür
Die Maus an dem Faden tanzt eine Kür Die Mutter schreit, hält die Hände vors Gesicht
Jan rennt in den Keller mit einem Licht
Holt seine Schlittschuh sofort
Schnell weg von diesem schrecklichen Ort!