14.Oktober 1845 Ärmelkanal
zu verlieren, der der Kanal hier immer mehr an Breite zunimmt. Hätten wir in der Nordsee nicht mit widrigen Winden zu kämpfen gehabt, so wären wir schon längst durch den Kanal und befinden uns jetzt schon mitten auf dem atlantischen Ocean. Heute als Dienstag den 4. Oktober 1845 um 7 Uhr früh befinden wir uns nur noch zwölf Meilen von dem Ausgange des Kanals in den Ocean, gegen Mittag hoffen wir, da der Wind noch immer günstig aus Süden unser Schiff nach Südwesten mit großer Schnelligkeit weiter treibt, in den Ocean einlaufen und von nun an einige Wochen lang kein Land zu Gesichte bekommen. Wenn wir den Kanal verlassen haben, so haben wir von Bremen aus in gerader Richtung gerechnet 164 deutsche Meilen zurückgelegt, denn von Bremen bis zur Nordsee sind 14 Meilen, über die Nordsee bis zum Kanal 60 Meilen und durch den Kanal 90 Meilen. Es ist eine wahre Freude unser Schiff segeln zu sehen, wie es die brausenden Wogen schäumend durchschneidet und jedes Schiff, das uns in gleicher Richtung mit uns zu Gesichte kommt, vorbei segelt und in kurzer Zeit weit hinter sich zurück lässt. Heute geht wieder ein ziemlich starker Wind, daher geht die See auch ziemlich hoch und das Schiff schwankt und schaukelt so gewaltig, daß viele der Passagiere von schwächlicher Natur, trotz dem, daß sie auch schon von der Seekrankheit völlig genesen waren, wieder aufs Neue anfangen zu brechen. Auf mich macht das Schwanken gar keinen Eindruck mehr; ich stehe auf dem Verdeck und schreibe an Bord mein Tagebuch, oder esse im Freien mein Mittagsmahl, meine Frau und Kinder fühlen sich zwar ein wenig schwindlich, doch sind sie dabei wohl und es schmeckt ihnen auf das Essen mit Ausnahme meines Julius, der immer noch sehr blaß aussieht und dem auf das Essen nicht munden will. Gegenwärtig sehen wir kein Land mehr, weder zur Linken noch zur Rechten, überall wohin das Auge blickt, sieht man nichts als Himmel und brausende sich hoch in die Luft türmende Wasserwogen. In der Nacht vom 12. Auf den 13. Oktober ereignete sich auf unserem Schiff ein merkwürdiger Vorfall. Eine Frau in der dritten Bettstelle von mir entfernt, wurde von einem gesunden Knaben entbunden. Ihr Mann heißt Rotsch aus Berlin gezogen und giebt sich für einen Maurer aus. |